INTERVIEW MIT JAN-ERIK WEINEKÖTTER
In den ersten Wochen gab es sehr viel Input für Jan-Erik Weinekötter, seit dem 1.1.2025 als neuer Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Ostwestfalen-Lippe dafür verantwortlich, die Interessen der rund 1.500 Mitgliedsunternehmen mit über 5.000 Betriebsstätten und mehr als 70.000 Mitarbeitenden zu vertreten.
Herr Weinekötter, wie geht es dem Handel in der Region?
Ich hatte ein tolles Onboarding und habe viel von Thomas Kunz, der die Position 16 Jahre lang bekleidet hat, gelernt. Ich habe auch bereits die Geschäftsstellen in Detmold, Herford, Minden und Paderborn besucht.

Da war ich den ganzen Tag unterwegs, aber durch meine vorherigen Tätigkeiten in Paderborn, Höxter und Gütersloh wusste ich schon, dass Ostwestfalen-Lippe flächenmäßig sehr groß ist (lacht). Das gesamte Team – nicht nur in Bielefeld – hat mich sehr herzlich willkommen geheißen. Ja, ich bin gut angekommen.
Wie geht es dem Handel in der Region?
Es sind herausfordernde Zeiten. Die politische und wirtschaftliche Entwicklung hat zusammen mit den vielen Krisenherden bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu einer spürbaren Kaufzurückhaltung geführt. Wir sehnen uns alle nach einem Stimmungswechsel. Um Konsum genießen zu können, braucht es eine Perspektive.
Was sind momentan die größten Herausforderungen?
Der Fachkräftemangel trifft auch den Handel. Das ist neben den gestiegenen Energiekosten eine große Herausforderung. Außerdem brauchen wir ganz dringend eine Entbürokratisierung. Die Hürden sind insbesondere für kleinere Unternehmen zu hoch. Große Filialisten haben meist für solche Fragestellungen, wie beispielsweise die Datenschutzgrundverordnung, eine eigene Abteilung. In kleineren Betrieben muss sich der Unternehmer selbst darum kümmern und kann sich in dieser Zeit nicht auf sein Geschäft konzentrieren. Da muss man sich die Frage stellen, ob es sinnhaft ist, bei allen Verordnungen mit demselben Maß zu messen. Hier ist die Politik gefragt.
Ein Dauerthema ist die Erreichbarkeit von Innenstädten …
Ich habe mir in vielen Städten Verkehrskonzepte angeguckt, die aber auf OWL meist nicht übertragbar sind, weil wir ein ländlich geprägter Raum sind. Der Öffentliche Nahverkehr weist häufig weder die Verbindungen noch Taktungen auf, damit die Städte auch aus dem Umland gut erreichbar wären. Deshalb brauchen wir eine gute Erreichbarkeit mit allen Verkehrsmitteln – und dazu zähle ich auch das Auto. Es geht hier aber nicht um ein Entweder oder sondern um ein ausgewogenes Miteinander. Ein Sowohl-als-auch.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung für den Handel?
Digitalisierung und besonders KI sind große Themen, die den Handel bewegen. Dabei muss man eines ganz klar sagen: Online- und stationärer Handel sind zwei unterschiedliche Geschäftsmodelle. Für viele unserer Mitglieder geht es in erster Linie darum, mehr digitale Sichtbarkeit zu erzeugen, um stationär gefunden zu werden.
Der Handelsverband NRW unterstützt die Einzelhandelsunternehmen dabei mit einem Förderprogramm. Landesweit sind sieben Digitalcoaches im Einsatz. Hier in Bielefeld ist Andrea Gries dafür zuständig. Oft geht es in den Beratungen um Grundlegendes: Wie kann der Einzelhandel digitale Tools – viele davon sind kostenfrei – optimal nutzen. Wir beraten übrigens in diesem Fall auch Nicht-Mitglieder.
Neben Unternehmens- und Rechtsberatung, Brancheninfos etc. – wobei kann der Verband noch unterstützen?
Mit unserer hohen Expertise in unserem großen Netzwerk können wir Kommunen und Werbegemeinschaften bei unterschiedlichen Fragestellungen unterstützen und Menschen zusammenbringen, um die richtigen Entscheidungen für eine vitale Innenstadt zu treffen. Die Belebung der Bielefelder City – die Stadt als Oberzentrum der Region OWL – ist ein wichtiges Thema. Dabei spielt der Handel in Kombination mit individueller Gastronomie die dominante Rolle. Ohne Handel geht es nicht. Das haben Beispiele aus anderen Städten gezeigt, die zum Beispiel auf innerstädtisches Wohnen, Eventisierung oder Urban Manufacturing gesetzt haben. Das sind alles Mosaiksteine, aber die erwünschte Belebung der City konnte damit allein nicht erreicht werden. Der Zweiklang aus Handel und Gastronomie ist der Haupttreiber. Da brauchen wir einen Perspektivwechsel hin zu der Frage „Was kann eine Stadt noch mehr für den Handel tun?“.
Wie kann dieser Wechsel erreicht werden?
Durch sehr viele Gespräche mit Politik und Verwaltung. Die Innenstadt ist die Visitenkarte der Stadt. Die Basics wie Sicherheit und Sauberkeit müssen als Grundvoraussetzung erfüllt sein. Weitere Module sind Möblierung, Begrünung, Beleuchtung und gute Events. Dazu kommt der Faktor Mensch. Das Einkaufen im realen Shop mit guten Gesprächen und Beratung durch den Fachhandel. Das kann kein Algorithmus leisten. Ich selbst gehe in der Mittagspause sehr gern Richtung Alter Markt, um dort in einem der vielen tollen Cafés einen Espresso zu trinken. Auf dem Weg bekomme ich einen Eindruck, wie es beim Handel gerade aussieht. Mein subjektiver Eindruck ist, dass gerade auch jüngere Menschen wieder verstärkt in der Stadt shoppen gehen.
Wir haben in Bielefeld ein gutes Stadtmarketing, das ich in den letzten Jahren in meiner Funktion bei der Gütersloh Marketing von außen beobachtet habe. Viele Städte in Deutschland beneiden Bielefeld darum. Das ist ein starkes Pfund. Das City Team [setzt sich aus Mitarbeiterinnen der Stadt Bielefeld, der WEGE – Wirtschaftsförderung für Bielefeld sowie Bielefeld Marketing zusammen, Anm. d. Red.] ist ein guter Ansatz und ich hoffe, dass es bald für die Stadtgesellschaft noch mehr sichtbare Ergebnisse gibt.
Zur Person
Jan-Erik Weinekötter stammt gebürtig aus Westfalen. Der 56-Jährige hat Diplom-Sportwissenschaften und in Nebenfächern VWL, BWL und Psychologie in Paderborn und im nordenglischen Hull studiert. In Gütersloh leitete er 17 Jahre lang das Stadtmarketing. An Bielefeld schätzt der passionierte Motorradfahrer neben dem Alten Markt den Tierpark Olderdissen, wo er früher häufig mit seiner Frau und den drei Kindern zu Besuch war, und die Bielefelder Alm. Neben Arminia drückt Jan-Erik Weinekötter, der lange Jahre als Torwart u. a. beim VfB Marsberg zwischen den Pfosten stand, dem FC Liverpool die Daumen.