Bielefeld verändert sich — und in welche Richtung es jetzt geht, das können wir alle gemeinsam gestalten.

Die Gesprächsrunde: Dominik Gross – CFO der Founders Foundation, Thomas Niehoff – Hauptgeschäftsführer der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld, Martin Knabenreich – Geschäftsführer der Bielefeld, Marketing GmbH, Brigitte Meier – Prokuristin der WEGE mbH, André Mielitz – Geschäftsführer Tips-Verlag, Prof. Uwe Rössler – Campus OWL, Dekan im Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit, FH Bielefeld, Sigrid Förster – Geschäftsführerin Tips-Verlag, Regine Tönsing – Hauptgeschäftsführerin des DEHOGA Ostwestfalen, Thomas Volkmar – Redaktionsleitung Tips-Verlag

Warum nicht einfach mal eine Seilbahn von der Sparrenburg zum Johannisberg spannen? Und das nicht nur als Touristenattraktion, sondern als sinnvolle Überbrückung des Ostwestfalendamms. Als Teil eines Mobilitätskonzepts. Was sich nach Spinnerei anhört, könnte ein beispielhafter Ansatz sein, um Bielefeld als wachsende Stadt fit zu machen für künftige Herausforderungen. Richtungsweisende Ideen in allen Bereichen sind gefragt. Man muss sie aber erst mal denken dürfen, damit aus einem Keim eine Pflanze werden darf. Bereits in unserem letzten Bielefelder Gespräch mit Persönlichkeiten von wichtigen Institutionen unserer Stadt wurde eines ganz deutlich: Bielefeld als wachsende Stadt braucht Visionen. Da waren sich die Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Handel, Gastronomie, Handwerk, Stadtmarketing, Wirtschaftsförderung und den Hochschulen einig. Und dabei kann Bielefeld von dem Spirit der Founders Foundation profitieren, bei der wir bei unserer zweiten Gesprächsrunde zu Gast waren. Die Bielefelder Start-up-Schmiede ist immer offen für neue Ideen, fördert Innovationen, Unternehmer-Talente und bringt ordentlich Bewegung in die Gründer-Szene. Der ideale Ort also für eine konstruktive Diskussion über Bielefelds Zukunft. „Die menschliche Natur möchte gestalten“, davon ist Gastgeber Dominik Gross, CFO der Founders Foundation, überzeugt. Zusammen mit Jannis Johannmeier, Manager Public Relations, freut er sich über die Möglichkeit zum Austausch mit Martin Knabenreich (Bielefeld Marketing), Brigitte Meier (WEGE), Thomas Niehoff (IHK), Uwe Rössler (Campus OWL) sowie Regine Tönsing (DEHOGA). „Das ist schließlich auch Sinn und Zweck der Founders Foundation, Menschen aus unterschiedlichen Bereichen zum Gedankenaustausch an einen Tisch zu bringen“, sagte er zur Begrüßung. „Bei uns würde man das Crowdsourcing nennen“, lacht der CFO mit Blick auf die vielen Anglizismen der Start-up-Szene.

DIE STADT ALS START-UP

Wie aber kann eine Institution wie die Founders Foundation Bielefeld inspirieren? Ein kurzer Ausblick auf die Entwicklung der Founders Foundation zeigt eine rasante Entwicklung, seit die Bertelsmann Stiftung 2015 beschlossen hat, ein gemeinnütziges unternehmerisches Projekt in und für die Region zu installieren. „Wir wurden mit zwei Herausforderungen auf den Weg geschickt“, erinnert sich Co-Founder Dominik Gross. „Wir sollten die nächste Generation von Unternehmern ausbilden und dafür sorgen, dass die Region so sexy ist, dass Talente und Studierende hierbleiben und mit ihren Ideen nicht in die Metropolen nach Berlin oder Paris abwandern.“

Der Mut, das Konzept umzusetzen, wurde belohnt. Nicht nur durch die finanzielle Unterstützung der Stiftung, sondern auch dank kurzer Entscheidungswege und dem Vertrauen in die Tragfähigkeit der Idee, Unternehmertalente von A bis Z auszubilden – von der Idee bis zur Marktreife. In der Founders Akademie wurden bislang rund 300 Menschen bei ihrer Start-up-Idee unterstützt und ausgebildet. 25 Start-ups und knapp 300 Arbeitsplätze sind bereits entstanden.

„Es zeigt sich, dass Mut belohnt wird. Die Founders Foundation profitiert von schnellen Entscheidungsprozessen.

Martin Knabenreich

„Das Ziel ist es ein EcoSystem zu etablieren, eine Pilotregion als Beispiel für andere“, erklärt Dominik Gross, der gemeinsam mit Sebastian Borek die Founders Foundation leitet. Und es gibt viele gute Gründe für die Region: eine starke Industrie, innovative Forschung mit den Hochschulen und die Mieten für Start-ups sind deutlich erschwinglicher als in den Hot Spots Berlin, Hamburg oder München. Aufmerksam geworden auf das, was hier in Bielefeld entsteht, sind nun auch schon eine ganze Reihe von Unternehmern und Politikern. Ende August war Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zu Gast in der Founders und lobte das Netzwerk von Gründern und Mittelständlern, das bundesweit ziemlich einmalig sei. Außerdem betonte der Minister, dass Deutschland erfolgreiche Mittelständler brauche. Doch ihnen fehle es häufig an Ressourcen für Innovationen; Start-ups könnten ihnen bei der Digitalisierung helfen.

EINFACH MACHEN

Und hier kommt die Mindset-Frage ins Spiel. Oft sind es tradierte Denkmuster und Einstellungen, die neuen Ideen im Weg stehen. Jannis Johannmeier plädiert dafür, Digitalisierung zu gestalten und nicht auf die Politik zu warten. „Politik war nie die
treibende Kraft, wenn es um Innovationen ging. Seinerzeit kam bei der Erfindung der Dampfmaschine der Impuls auch nicht aus der Politik“, so der PR-Manager. Damit rennt er bei Martin Knabenreich offene Türen ein, der sich für eine „Ermöglichungskultur“ stark macht. „Die Möglichkeiten in Bielefeld sind da und die Aufbruchstimmung spürbar. Wir müssen Optimismus salonfähig machen und einfach mal Dinge ausprobieren bzw. zunächst einmal wertfrei Ideen diskutieren dürfen, ohne immer gleich alle Bedenken in den Vordergrund zu rücken. Scheitern ist meiner Meinung nach eine Grundvoraussetzung für Erfolg“, so der Geschäftsführer der Bielefeld Marketing. Ideen für die Stadt, an denen sich die Bielefelder beteiligen können, und Denkblockaden zu lösen, um kreativer Prozesse gestalten zu können, sind gefragt. Diese dürften nicht schon gleich mit einer „Ja, aber“-Haltung im Keim erstickt werden. Das gilt auch für die Infrastruktur. Thomas Niehoff fürchtet, dass durch langwierige politische Abstimmungsprozesse und Überregulierung überfällige Projekte behindert werden. „Es kann passieren, dass wir in Sachen Digitalisierung und Innovation zu langsam sind“, so der Hauptgeschäftsführer der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld. Aber er sieht zugleich – nicht zuletzt durch die Founders Foundation, Potenziale: „Es tut sich was in der gesamten Region. Wir müssen Berlin nicht imitieren.“

MIT AUGENMASS

Regine Tönsing, Hauptgeschäftsführerin des DEHOGA Ostwestfalen, berichtet, dass die Digitalisierung zwar im Hotel- und Gastronomiebereich angekommen sei, aber sich besonders mittelständische Familienunternehmen in der Branche noch schwertäten. Und man müsste genau prüfen, was überhaupt sinnvoll sei. Denn nicht jeder Gast bestellt gern per Tablet und verzichtet damit auf das Lächeln der Servicekraft und ihre Kompetenz in puncto Beratung. „Die technischen Neuerungen, sei es für die Gastronomie, den Handel oder das Handwerk, müssen in einem gesunden Verhältnis stehen“, betont sie.

„Es tut sich was in der Region. Wir müssen Berlin nicht imitieren.”

Thomas Niehoff

Dieser Meinung ist auch Dominik Gross, wenn er an die Smart Citizens denkt. „Wichtig ist es, die Menschen zu befähigen, mit den Innovationen umzugehen und ihren Sinn zu erkennen, wie z. B. beim Thema 5G. Insgesamt sind wir auf einem guten Weg. Alle Partner aus Wirtschaft und den Hochschulen öffnen sich. Es besteht ein grundsätzliches Interesse und es tut sich was in der Stadt, zum Beispiel mit der WissenWerkStadt, aber es dauert eben.“ Uwe Rössler betont, dass man den Blick nicht dafür verlieren sollte, was schon geschafft wurde. „Wir dürfen nicht immer nur das Defizitgefühl thematisieren. Es gibt viel Positives zu vermelden“, unterstreicht der Dekan im Fachbereich Wirtschaft und Gesundheit an der FH Bielefeld. „Der Haushalt wurde aufgestockt, die Hochschulen haben mehr Geld für Personal. Der Transfer zwischen Wirtschaft und Hochschulen funktioniert gut. In puncto Digitalisierung und Innovation müssen wir weiter unsere Entwicklungen zeigen und Erfolgsstorys weiterschreiben.“ Dieser Meinung schließt sich Brigitte Meier an und konstatiert eine Aufbruchstimmung, die die Prokuristin der WEGE u. a. in der Hochschullandschaft mit der Medizinischen Fakultät und der Erweiterung der FH verortet. Außerdem kämen viele Fachkräfte und Talente nach Bielefeld. „Die Stadt kann mit harten und weichen Standortfaktoren punkten. Das Wirtschaftsportal Das kommt aus Bielefeld zeigt immer neue Erfolgsgeschichten von Bielefelder Unternehmern und Gründern. Ein Beleg für das gute Zusammenspiel von Traditionsunternehmen und Start-ups.“ Insgesamt waren die Gesprächsteilnehmer sehr angetan von dem Spirit, den die Founders Foundation in die Stadt gebracht hat. Die zupackende Mentalität, das unbekümmerte „einfach mal machen“ und auch das Scheitern dürfen, um daraus zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen. Diese Charaktereigenschaften tun der Stadtentwicklung gut.