Das Handwerk boomt. Die Auftragsbücher sind gefüllt. Dennoch entscheiden sich immer weniger Jugendliche für eine Ausbildung im Handwerk. Wir stellen Azubis vor, die im Handwerk unterwegs sind. Und werfen einen Blick auf ihre Betriebe. Denn diese sorgen dafür, dass Nachwuchs nachrücken kann. Ihre Botschaft: Nachwuchs ist willkommen, ob Dienstleistung, Elektro, Holz, Lebensmittel oder Bau. Und auch die Perspektiven für eine Karriere im Handwerk sind gut. Die Ausbildung ist ein erster Schritt.
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Dr. Jens Prager
Hauptgeschäftsführer der
Handwerkskammer OWL
Wenn es um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands geht, führt kein Weg am Handwerk vorbei. Das klimagerechte Sanieren oder Errichten von Häusern, der Bau von Radwegen, das Verlegen von Glasfaserkabeln oder Elektroleitungen, um die Elektromobilität zu gewährleisten: Es sind immer Handwerkerinnen und Handwerker, die diese Arbeiten durchführen. Das Nahrungsmittelhandwerk stemmt sich gegen den Trend der Lebensmittelverschwendung und bietet hochwertige Nahrungsmittel. Junge Leute, die die Zukunft und die Energiewende mitgestalten möchten, sollten einen handwerklichen Beruf erlernen.
Sascha Heitbreder (22)
Tischler, 2. Ausbildungsjahr
Tischlerei Wulfmeyer
Mein Vater hat ebenfalls eine Tischlerausbildung und in unserem Haus natürlich vom Fußboden über Türen bis hin zu den Fenstern viel selbst gemacht. Er hat mich schon früh eingebunden. Da ich immer Spaß daran hatte und keine zwei linken Hände, habe ich gedacht, dass dies ein Beruf ist, wo ich meine Fähigkeiten einbringen kann. Die meisten aus meinem Freundeskreis haben nach dem Abi allerdings angefangen zu studieren. Ich wollte lieber erst etwas Handwerkliches machen und mir damit eine Grundlage schaffen. Nach der Ausbildung kann ich mir auch einige Jahre als Geselle vorstellen und werde danach sehen, wie es weitergeht.
Für ein gutes Resultat muss man sehr präzise arbeiten. Das Schöne ist jedoch, dass man am Ende des Tages ein fertiges Objekt hat, an dem man von Anfang bis Ende gearbeitet hat. Und ob Fenster oder Möbel – ich sehe die Kleinigkeiten an jedem Werkstück.
Der Werkstoff Holz. Ich könnte mir nicht vorstellen als Metaller zu arbeiten, das ist nicht mein Material. Die unterschiedlichen Holzarten mit ihren verschiedenen Eigenschaften und Farben sind einfach spannend.
Frank Wulfmeyer
Tischlerei Wulfmeyer,
Obermeister der Tischler-Innung
Quantitativ gibt es noch genug Bewerber*innen, die eine Ausbildung im Tischlerhandwerk anstreben. Qualitativ sieht die Sache schon ernster aus. Immer mehr sind nicht oder noch nicht für den Beruf geeignet. Unter dem Strich ist das Verhältnis geeigneter Bewerber*innen zu angebotenen Ausbildungsplätzen ausgeglichen.
Angehende Azubi sollten ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen haben, sichere mathematische Grundkenntnisse, sicher in Wort und Schrift, technische Grundkenntnisse und physikalische Zusammenhänge erkennen können, handwerkliches Geschick im Umgang mit Werkzeug, Hammer, Schraubendreher, Zange etc. Der schulische Abschluss sollte Klasse 10 enthalten, ob Haupt – oder Realschule oder gar Abi ist erst mal zweitrangig.
Er muss nicht nur massives Holz bearbeiten, auch Holzwertstoffplatten, Holz-Furniere, Laminate, Metall, Glas und Kunststoffe gehören zu unseren Werkstoffen. Das Arbeitsspektrum ist vielfältig und reicht von der Fertigung von Möbeln und Türen bis hin zu Fenstern und Fußböden. Zunehmend mit Hilfe von cnc-gesteuerten Holzbearbeitungsmaschinen. Auch Dienstleistungen wie die von Wartung von Fenster, Türen oder die Instandsetzung von Möbeln und Einbauten gehört dazu.
Gute Tischler erkennen das Bedürfnis des Kunden und entwickeln im Gespräch das benötigte Produkt, das er dann unter Berücksichtigung der technischen und physikalischen Eigenschaften der benötigten Werkstoffe herstellt und einbaut.
Ein Praktikum halte ich für unbedingt wichtig. Es bietet den Bewerber*innen einen Einblick in das Berufsbild, die zu erwartenden Aufgabenstellungen und betrieblichen Abläufe. Der Betrieb kann wiederum feststellen, inwieweit die Bewerber*in die nötigen Voraussetzungen mitbringt und mit den anderen Mitarbeiter*innen harmoniert. Wir bieten solche Praktika an, denn ohne stellen wir keinen Azubi ein. So verfahren auch die überwiegende Anzahl der Kollegen.
Tim Sinanovic (18)
Maurer, 3. Ausbildungsjahr
Hochbau Detert
Durch eine Probierwerkstatt für Berufe/Orientierungstage habe ich in den Beruf hineingeschnuppert.
Meiner Mutter gefällt es sehr, dass ich diese Ausbildung mache. Meinen Freunden nur teilweise, da es ihnen persönlich nicht gefallen würde, bei Wind und Wetter draußen arbeiten zu müssen.
Die Vielseitigkeit auf den verschiedenen Baustellen.
Norma Bopp-Strecker
Diplom-Wirtschaftsingenieurin
Hochbau Detert
Es ist sicherlich vor einigen Jahren noch einfacher gewesen, aber wir sind umtriebig, recht präsent und nutzen auch zahlreiche Angebote in Internet und auf Veranstaltungen, um für unser Unternehmen zu werben.
Mein erster Blick gilt im Zeugniss der Anzahl unentschuldigter Fehlstunden. Zuverlässigkeit ist für mich ein sehr wichtiger Punkt. Die Sorgfalt bei der Zusammenstellung der Bewerbungsunterlagen ist ein weiterer Punkt, der aus meiner Sicht Rückschlüsse auf Sorgfalt und Umsichtigkeit zulässt. Das persönliche Treffen in unserem Unternehmen ist der Kern der Entscheidung. Kleidung, Pünktlichkeit und Vorbereitung auf das Gespräch geben wichtige Aufschlüsse über den (zumeist) jungen Mann, der sich bei uns bewirbt. Die Noten sind wichtig, aber nicht ausschlaggebend. Mein Unternehmen hat Maurer und Betonbauer ausgebildet, die gerade so durch die Ausbildung gekommen sind, sich aber später zu sehr wertvollen und fachlich guten Mitarbeitern entwickelt haben.
Das ist bei uns nicht nur möglich, sondern eine Voraussetzung für eine Ausbildung in unserem Unternehmen. So haben beide Seiten die Gelegenheit sich und die Anforderungen kennenzulernen. Ich halte dies für sehr sinnvoll, denn wir binden uns für die Dauer der Ausbildung aneinander, das sind zwei bis drei Jahre. Dies muss von beiden Seiten gut überlegt sein.
Lea Wilczynski (20)
Fleischereifachverkäuferin, 3. Ausbildungsjahr
Fleischerei Kohlstedde
Es war für mich eine Selbstverständlichkeit, da ich mir vorstellen kann, den Familienbetrieb später zu übernehmen und gemeinsam mit meinem Bruder zu führen. Außerdem arbeite ich gern mit meiner Familie zusammen und kenne alle Mitarbeiter*innen, da ich in den Ferien schön häufiger hineingeschaut habe und mir die Arbeit Spaß gemacht hat.
Eine andere Sicht auf Menschen. Ich gehe heute viel offener auf sie zu. Die Anzahl positiver Begegnungen sorgt dafür, Vorurteile abzubauen. Und es fällt mir längst nicht mehr so schwer mit fremden Menschen zu sprechen, es macht sogar viel Freude. Außerdem entwickelt man Einfühlungsvermögen.
Das große Produktwissen parat zu haben. Inhaltsstoffe und Herkunft sind ganz wichtige Aspekte – und sie werden immer wichtiger – ,um den Kunden auf ihre Fragen antworten zu können und ihnen ein gutes Gefühl zu vermitteln. Auch mit Blick auf Allergien und Unverträglichkeiten. Ich muss darauf reagieren, Alternativen finden und ja, auch die Verantwortung ist groß.
Lars Wilczynski
Fleischermeister
Fleischerei Kohlstedde
Das gelernte Wissen weiterzugeben, zurzeit an meine Tochter. Leider ist es schwierig Nachwuchs zu finden. Wichtig zu wissen ist sicherlich, dass hier keiner knietief im Blut steht, vielmehr geht es um Serviceleistungen am Kunden. Dazu gehört der sachgerechte Umgang mit dem hochwertigen Lebensmittel Fleisch, aber es geht auch um Themen wie Partyservice oder Fleisch fürs Barbecue.
Wer in diesem Beruf seine Ausbildung bestehen möchte, sollte einen Realschulabschluss haben und eine schnelle Auffassungsgabe mitbringen. Wir sind als Betrieb auf jeden Fall offen für Praktikanten.
Fiona Moch (18)
Bäckerin, 1. Ausbildungsjahr
Backsüchtig
Das ist nicht nur einer, sondern es sind viele Aspekte. Ich arbeite gern mit den Händen, in unserem Betrieb ist wirkliche Handarbeit gefragt, und es macht mir
einfach Spaß Dinge zu kreieren. Und am Ende des Tages sieht man tatsächlich, was man geschafft hat – das macht mich sehr zufrieden.
Ich bin eher ein Nachtmensch und finde es nicht so schlimm. Gegen 19 Uhr gehe ich ins Bett. Die ersten drei Wochen am Anfang meiner Ausbildung war dies etwas schwierig, aber wurde schnell zur Normalität. Auch, Freitagsabend Freunde zu versetzen (lacht).
Während meiner Schulzeit habe ich nur ein Praktikum machen können und gar keinen Plan, was ich gern machen würden. Im Anschluss an meine Schulzeit habe ich deshalb ein Berufsfindungsjahr mit vielen Praktika gemacht. Ich war in einer Gärtnerei, im Kindergarten, beim Maler, im Einzelhandel, im Büro und eben auch bei Backsüchtig. Und fand es toll, nicht nur die Arbeit selbst, sondern auch die fast familiäre Atmosphäre.
Hans-Martin Rolf
Bäcker- und Konditormeister
Backsüchtig
Es gibt eine neue Szene der „Hobby Bäcker“, egal welchen Alters. Sie bringen eine Leidenschaft fürs Backen mit. Damit eng verknüpft ist die Sehnsucht nach etwas Besonderem, nach Qualität. Diese Aspekte sprechen wir mit unserer Philosophie – lange Teigruhe, anderes Arbeiten als in Großbetrieben – an. Über regelmäßig Workshops, die wir anbieten, um zu zeigen, was das Bäckerhandwerk ausmacht, entstehen dann auch Bewerbungen.
Als Bäcker arbeiten wir in unserem Betrieb fünf Tage in der Woche 7,7 Stunden täglich. Montags bis freitags sind wir von 4 bis 13 Uhr in der Backstube, samstags von 1.30 bis 8.30 Uhr.
Lust etwas Neues zu lernen, aber auch alte Tugenden wie Verlässlichkeit. Es braucht kein Abitur, aber es wäre gut, wenn man schulisch keine Probleme hat. Beherrschen sollten mögliche Azubis die Grundrechenarten, u. a. für die Rezepturen der Vorteige. Es braucht Qualität, wenn man es im Handwerk nach oben bringen möchte.
Absolut! Das finde ich superwichtig. Während eines Praktikums können beide Seiten sehen, ob sie mit ihren Vorstellungen übereinstimmen. Nur dann hat man künftig gute Voraussetzungen. Es geht ja nicht darum, einfach nur irgendeine Ausbildung zu machen. Dafür braucht es schon Leidenschaft für den Beruf.
AZUBICARD IN OWL
Seit September 2019 erhalten alle Auszubildenden im OWL-Handwerk eine „Azubi- Card“. Damit können sich die Azubis jederzeit ausweisen – ähnlich wie Schüler*innen mit dem Schülerausweis oder Studierende mit dem Studierendenausweis. Der Ausweis bestätigt, dass sie eine betriebliche Berufsausbildung absolvieren, die mit einem Ausbildungsvertrag bei der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld eingetragen ist.
Julian Hackbarth (22)
Heizung Sanitär Anlagentechniker, 3. Ausbildungsjahr,
ITS Installationstechnik Stückemann
Sowohl über meine Eltern bzw. meinen Vater als auch über verschiedene handwerkliche Praktika.
Ich habe gelernt, noch selbstständiger zu sein und berufsbezogene Probleme durch handwerkliche Tätigkeiten und Geschick zu lösen. Ich habe verschiedene Vorschriften kennengelernt z.B. für Trinkwasser und mir generell hilfreiche Informationen angeeignet.
Im Betrieb habe ich neue Fähigkeiten erlernt und durch Learning by doing Probleme selbstständig erkennen und lösen gelernt, wenn ich im Kundendienst unterwegs bin. Die handwerkliche Arbeit und Abwechslung durch verschiedene Arbeitsaufgaben gefallen mir. Die Berufsschule ist eine Abwechslung zum Berufsalltag. Da fi ndet der Kontakt mit Freunden neben der Vermittlung von Wissen statt, das für die Arbeit nützlich ist.
Dagmar Stückemann
ITS Installationstechnik Stückemann
Der Umgang mit jungen Leuten ist immer spannend, da man auch voneinander lernt. Außerdem können wir dem Fachkräftemangel entgegenwirken, indem wir selber ausbilden und Jugendliche fi t für den Beruf und unseren Betrieb machen.
Egal welchen Schulabschluss die Bewerber*innen haben: Mathematik, Physik und Deutsch sollten mit mindestens befriedigend bis ausreichend abgeschlossen sein. Die Bereitschaft körperlich zu arbeiten, ist Voraussetzung
Ein handwerklicher Beruf bringt neben der körperlichen Tätigkeit auch den Anspruch mit, kaufmännisch und technisch zu denken. Über die Ausbildung hinaus kann man Weiterbildungen zum Meister oder Techniker anstreben, sich auf spezielle Gebiete spezialisieren oder in die Beratung und Ausarbeitung von Angeboten hineinwachsen. Sich mit Innovationen zu beschäftigen, gehört ebenfalls zum Berufsbild.