REFUGIUM FÜR WILDBIENEN

Es ist ein ganz besonderer Ort – mitten in der Stadt. Zwischen Jahnplatz und Kesselbrink liegt der Alte Friedhof. In unmittelbarer Nähe zum Rathaus bildet diese grüne Oase einen Gegenpol zu Asphalt und Beton und bietet bedrohten Wildbienen eine artgerechte Umgebung. Etwa 556 verschiedene Wildbienenarten gibt es. Und die Insekten, zu denen übrigens auch Hummeln zählen, sind gar nicht mal so anspruchsvoll.

Was sie zum Leben brauchen, zeigt der Bielefelder BUND, der gemeinsam mit dem Team des Alten Friedhofs einen Lehrpfad eingerichtet hat, der sich pietätvoll in die Umgebung einfügt. „Unser Ziel ist es, den Menschen zehn praktische Tipps an die Hand zu geben, wie sie selbst im Garten, auf dem Balkon oder in ihrer Einfahrt etwas für den Artenschutz tun können“, berichtet Jürgen Birtsch, Biologe und seit über 20 Jahren in der Kreisgruppe Bielefeld des BUND aktiv.

Anders als Honigbienen im Stock leben Wildbienen solitär, viele Arten finden in der Erde ihr Zuhause. Um das anschaulich im Rahmen des Projektes „Stilles Summen“ zu verdeutlichen, hat die Friedhofsverwaltung eine nicht mehr genutzte Grabstätte zur Verfügung gestellt. In einer kleinen Vertiefung des Steins steht den Wildbienen neben Sand zum Graben ihrer Nester auch Wasser zur Verfügung. Friedhofsgärtner Merlin Leichner hat die kleine Wasserstelle zusätzlich mit Steinchen befüllt, damit die Tiere beim Trinken einen Ansitz haben und nicht ertrinken. Er hat einen Blick für die Natur und beantwortet auch gern Fragen von Besucher*innen zum gemeinsamen Wildbienenprojekt.

Naturbelassen

Auf dem Alten Friedhof sorgt das Gärtnerteam ganzjährig für Nahrung – mit Blühpflanzen und Kräutern, wie z. B. Thymian, die sich auch gut im eigenen Garten oder auf dem Balkon anbauen lassen. „Vieles macht die Natur selbst“, sagt der Friedhofsgärtner. Man muss sie nur machen lassen. Früher wurde beispielsweise die Rasenfläche alle drei Wochen gemäht. „Jetzt mähen wir im Frühjahr ein Drittel der Fläche, ein weiteres Drittel im Sommer und das letzte zum Herbst.“ Das längere Gras erfüllt an heißen Sommertagen noch eine weitere Funktion – damit bleibt es deutlich kühler. Ein wichtiger Aspekt in Zeiten des Klimawandels. Auch schattenspendende Bäume sind wichtig. „Wildbienen mögen Streuobstwiesen, deshalb haben wir zu Demonstrationszwecken zwei Apfelbäume gepflanzt“, erklärt Jürgen Birtsch. Zur Blütezeit herrscht dort reges Treiben – wie auch an der von Ehrenamtlichen gebauten Brutwand, vielen als Insektenhotel bekannt, mit unterschiedlich groß gebohrten Löchern. Das Holz wurde schön glatt geschmirgelt, damit sich die Insekten mit ihren fragilen Flügeln nicht verletzen. „Vor der Wand kann man sich umfliegen lassen“, so der Biologe. Wildbienen sind nicht aggressiv, denn sie müssen kein Futter verteidigen, wie beispielsweise Honigbienen, die ihre Nahrung im Stock horten.“ Die Angst vor Stichen ist somit unbegründet. Die Begegnung zwischen Mensch und den kleinen, flinken Insekten soll helfen, wieder eine positive Beziehung aufzubauen. Totholz ist ein wichtiger Lebensraum für Insekten. In einer Ecke des Friedhofs findet sich ein Baumstammstapel neben einer abgestorbenen Blutbuche. „Verschiedene Hölzer locken verschiedene Arten an“, so Jürgen Birtsch. Ein Schild gibt hier – wie auch an den anderen neun Stationen des Lehrpfads – weitere Infos. Wie beim Rasengitterstein, eine gute bauliche Alternative zu einer gepflasterten Einfahrt, denn hier darf zwischendrin Grünes wachsen. Auch online kann man sich einen sehr guten ersten Eindruck über den Lehrpfad verschaffen und die Tipps zur eigenen Gartengestaltung nachlesen. Aber bei einem Rundgang vor Ort wird der Lebensraum greifbarer. Und mit etwas Glück kann man früh am Morgen einen Mäusebussard beobachten – und das mitten in der Stadt. ✔
www.bielefeld.bund.net/stilles-summen/