ERWIN GROSCHE

Seit über 50 Jahren steht der Paderborner auf der Bühne und blickt mit staunend poetischem Blick auf die Welt. Eine Haltung, die den Kleinkünstler auch als Autor, Musiker und Schauspieler prägt. Nach dem „aufregenden und anrührenden“ Jubiläum lehnt sich der „Kleinstadtphilosoph“ (Hanns Dieter über Erwin Grosche) aber keinesfalls zurück.

Welche Momente auf der Bühne machen Dich glücklich?

Wenn ich spüre, dass meine Zuschauer klug und zärtlich sind und meine Weltansichten teilen, atme ich kurz auf. Ich mag diesen Groove, der dann entstehen kann. Ein Rhythmus aus Staunen, Lachen, Schweigen und Klatschen. Wenn dieses Orchesterwerk zustande kommt, bin ich vielleicht glücklich. In Bielefelds Zweischlingen erlebte ich oft diesen Groove.

Wie ist es Dir gelungen, das kindliche Staunen beim Blick auf die Welt zu bewahren?

Ich bin in der Bäckerei meines Vaters groß geworden und verdanke der Weltsicht meiner Mutter meinen Blick auf die Welt. Ich vertraue darauf, dass im Grunde alle ihr Bestes geben und gut sind. Meine Bühnentexte handeln davon, dass Bescheidenheit und Gelassenheit zum Glück führen.

Man muss sich raushalten können, zurücknehmen wollen und Inseln schaffen. Ich lehne die sogenannten Erleichterungen der Technik ab, liebe Seidenstickerhemden und kann warten. Ansonsten folge ich meinem Hund.

Was ist das Geheimnis hinter Deiner unglaublichen Produktivität?

Ich wusste das ja gar nicht, dass ich schon so viele Bücher geschrieben habe. Das passiert einfach. Ich habe dadurch auch den Eindruck etwas wert zu sein. Ich fühle mich gut, wenn ich etwas zu tun habe. Natürlich drängt mich auch meine Phantasie dazu alles festzuhalten, was sie gesehen und erfunden hat. Das geht dann ratz fatz. Eigentlich wird mir jetzt erst bewusst, was ich da eigentlich mache. Alles wird immer mehr Erwin.

Gab es für Deine Berufswahl einen Plan B?
Meine große nicht zu unterschätzende „Botschaft“ ist ja, dass jemand, der nichts kann, auch sein Glück finden kann. Ich kann nichts am besten.

Das gerade im Bielefelder Aisthesis Verlag erschienene „Lesebuch Erwin Grosche“ ist so etwas wie eine Zeitreise durch Deine Texte. Welchen Text sollte man unbedingt lesen, um Deiner Kunst auf die Spur zu kommen?

Man sollte alle meine Texte immer wieder lesen. Manche meiner Texte wirken nur, wenn es regnet, andere nur wenn man berauscht ist. Manche Texte sollte man laut lesen und andere sich vorlesen lassen. Manche sind auch nicht so gut und andere deswegen brillant. Ich selbst liebe derzeit meine Einfranksätze, von denen einige am Ende des Buches zu finden sind. Wer dabei keinen Einfranksatz für sich findet ist tot oder Frank.

Was bedeutet Dir das Schreiben?
Durch das Schreiben kann ich eine Welt erschaffen, in der ich leben möchte. Es rettet mich vor der Angst, dem Unglücklichsein und dem Alleinsein. www.erwingrosche.de

Erwin Grosche (auf dem Bild rechts 2. von links) wurde 1955 in Anröchte/Kreis Soest geboren. Sein Vater war Bäcker und seine Mutter führte den Lebensmittelladen des kleinen Ortes. Nicht umsonst sind Kuchen und Torten wiederkehrende Themen. Seine große Liebe gehört der Kleinkunst. 1973 begann er offiziell seine Bühnenlaufbahn. Anfangs trat er mit seinem Bruder Heiko auf, seit 1980 arbeitet er hauptsächlich als Solist.

Neben Kleinkunst- und Theaterproduktionen schreibt Grosche Bücher und dreht Filme, etwa über Padermann den Superhelden. Seine Kinderbücher, u. a. illustriert von Dagmar Geisler und Norman Junge, wurden in viele Sprachen übersetzt. Grosche arbeitete als Schauspieler u. a. mit Doris Dörrie und Margarethe von Trotta. Neben vielen anderen Auszeichnungen erhielt er 1999 den „Deutschen Kleinkunstpreis“ und wurde 2000 Kulturpreisträger der Stadt Paderborn. Im November feiert sein neues Programm „Ich hätte gerne ein Brötchen mit Rührei gegessen, aber es waren noch Nudeln von gestern da“ im Amalthea in Paderborn Premiere.