SARAÍ BOUEKE VELÁSQUEZ
in Bielefeld
Lange pendelte sie zwischen zwei Welten: Guatemala Stadt und Bielefeld. Von der Fläche zwar ähnlich groß hat die mittelamerikanische Hauptstadt jedoch fast vier Mal so viele Einwohner* innen wie das ostwestfälische Oberzentrum. „Aber Guatemala hat das bessere Wetter“, lacht Saraí Boueke Velásquez. „Den ewigen Frühling vermisse ich schon.“ Kein Wunder, das Jahresmittel beträgt angenehme 20 Grad bei viel Sonnenschein.
Nach ihrem Abitur an der Deutschen Schule in Guatemala hat sich die heute 20-Jährige dennoch für Bielefeld entschieden. Hier war sie regelmäßig während ihrer Jugend und Kindheit zu Besuch bei den Großeltern, weil sie Saraí und ihrem älteren Bruder auch ihren deutschen Hintergrund näher bringen wollten. Ihr Vater war und ist als Journalist weltweit unterwegs und berichtet häufig aus Guatemala, dort lernte er seine zukünftige Frau kennen. Die Hauptstadt mit fast 1,3 Millionen Einwohner* innen blieb zunächst Saraís Lebensmittelpunkt. „Wir haben nicht in einer bewachten Wohnanlage gelebt. Meinen Eltern war es wichtig, dass mein Bruder und ich so aufwachsen wie 98 Prozent der Bevölkerung, die eben nicht in einer Gated Community wohnen,“ erzählt sie.
Für ein Studium in Deutschland gab es einige gute Gründe. Die Studiengebühren an den privaten Hochschulen in Guatemala sind hoch und der Unibetrieb an den staatlichen Einrichtungen durch die häufigen Streiks unzuverlässig. „Ich wollte gern in Bielefeld studieren, weil ich hier freier leben kann“, sagt Saraí. Freiheit ist für sie gleichbedeutend mit Sicherheit.
Denn durch die Straßen- und Bandenkriminalität ist Gewalt ein großes Problem in Guatemala Stadt. Es gibt Stadtbezirke, die man besser meidet und selbst das Busfahren kann gefährlich sein. Bevor sie vor anderthalb Jahren anfing, Gesundheitskommunikation zu studieren, hat sie erst noch ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei der BTG absolviert. Die Bielefelder Turngemeinde von 1848 ist der einzige Sportverein in Bielefeld mit einer Fechtabteilung – Saraís große Leidenschaft. Mit dem Florett hatte sie schon in Guatemala im Alter von 14 Jahren angefangen, in Bielefeld stehen Degen und Säbel auf dem Programm. Der Säbel ist ihre bevorzugte Waffe. „Anders als beim Degen muss ich mich hier viel schneller bewegen, da geht es um Bruchteile von Sekunden. Der Säbel ist eine Stoß- und Hiebwaffe, als Angriffsfläche gilt alles ab Gürtel aufwärts. Beim Degen können am ganzen Körper Treffer erzielt werden.“ Der Sport ist ein guter Ausgleich zum Studium. Sie trainiert drei bis vier Mal in der Woche und hat schon bundesweit an Meisterschaften teilgenommen. Das FSJ hat Saraí persönlich weitergebracht.
„Ich habe mich selbst besser kennengelernt und festgestellt, dass ich durchsetzungsfähig sein kann, wenn ich muss“, stellt sie fest. „Ich übernehme gern Verantwortung.“ Und natürlich macht ihr das Training mit den Kindern und Jugendlichen großen Spaß. Deshalb engagiert sich die Studentin auch nach der Beendigung des FSJ weiterhin ehrenamtlich im Verein.
Sie ist viele Stunden in der Woche damit beschäftigt, jungen Menschen zusammen mit einem hauptamtlichen Trainer und anderen Ehrenamtlichen die Kunst des Fechtens näherzubringen. Dazu hat die Studentin die C-Trainerlizenz erworben. An den Wochenenden fährt sie als Betreuerin im Team mit den Kids häufig quer durch die Republik zu Turnieren. Kinder und Jugendliche in Bewegung zu bringen, das passt auch zu ihrem Studium, denn bei der Gesundheitskommunikation liegt ein Fokus auf Prävention. „Der Bewegungsmangel ist schon im Kindesalter feststellbar. Mit einer Sportart, die Spaß macht, kann man dem entgegenwirken“, so die Gesundheitswissenschaftlerin, für die die Sporthalle ihr zweites Zuhause geworden ist. „Es sind die Menschen im Verein, die ich sehr mag. Sie sind der Grund, warum ich fast jeden Tag hier bin.“ ✔