DETLEF STOFFEL?

„Nein, ich stehe nicht auf Frauen, sondern Männer find‘ ich scharf – ich bin schwul, ja ich bin schwul, und ich frag‘ nicht, ob ich darf …“ singen die Männer der Initiativgruppe Homosexualität Bielefeld (IHB) vor der Kamera. Die WDR-Doku „Schauplatz Gerichtstraße – Schwulengruppe Bielefeld“ wird 1979 gesendet, verschwindet danach in den Archiven. Aber diese eine Sequenz taucht immer wieder in 70er Jahre Dokus auf.

Einer der Mitbegründer der IHB ist Detlef Stoffel. Lange bevor Begriffe wie „queer“ oder „LGBTQIA+“ aufkamen und der CSD durch Bielefelds Straßen zog, gab es ein Ziel, das die Community ungebrochen antreibt: Sichtbarkeit herstellen. „Das hat eindeutig geklappt“, freut sich der Bielefelder. „Wir sind hier, es gibt uns, wir werden uns auch nicht entschuldigen“, bringt er eine Haltung auf den Punkt, die heute so aktuell ist wie in den 70ern. „Wir wollten nicht Toleranz, sondern Akzeptanz. Wir waren durchaus auf Krawall gebürstet. Ganz nach der Devise: Wer zu leise ist, wird nicht gehört.“
Wirkliche Vorbilder für die Gründung der Gruppe gab es nicht, wohl aber Auslöser. „Einer war die erste Demo homosexueller Menschen jenseits Großstädten wie Berlin oder in Münster. Das hat bis nach Bielefeld ausgestrahlt.“ Ein anderer war Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ aus dem Jahr 1971. Ziele der IHB waren es u. a., Orte zu schaffen, wo Schwule sich angstfrei treffen und kommunizieren, zusammen leben, arbeiten und feiern konnten. „Aber schnell kam auch ein politischer Aspekt dazu“, so Detlef Stoffel. 1973 beteiligte sich die Gruppe etwa an der bundesweiten Plakataktion gegen den Paragraphen 175, der, von den Nazis verschärft, 1969 modifiziert und erst 1994 endgültig abgeschafft wurde.
Anfang der 80er löste sich die IHB zwar auf, aber sie hat die Gründung anderer Gruppen wie die bis heute bestehende AIDS-Hilfe angestoßen.
Aktuell werden die queeren Aktivitäten in der Stadt vom BieQueer e.V. koordiniert. Detlef Stoffel selbst ist gerade an der Vorbereitung des Jubiläums der IHB beteiligt. Am 1.12. wird im Murnausaal der VHS die WDR-Doku gezeigt – im Beisein von OB Pit Clausen. Das weitere (Kultur-) Programm war bei Redaktionsschluss noch in Planung.

Geboren 1950 in Bielefeld, aufgewachsen in Herford, Studium Soziologie und Film an der Uni Bielefeld.

Vor 50 Jahren, am 30.11.1972, Mitbegründer der Initiativgruppe Homosexualität Bielefeld (IHB). 1977 Gründung des Löwenzahn als erster Naturkostladen in OWL. 2000 Verkauf, anschließend freier Berater in der Biound Naturkosmetikbranche. Im September 2022 wurde Detlef Stoffel für sein Lebenswerk mit dem ersten BieQueer Award ausgezeichnet. Eine Würdigung seiner Verdienste für die queere Community sowie den Aufbau der Bielefelder Schwulenbewegung vor 50 Jahren.