ANDERS ALS GEPLANT
„Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ’nen zweiten Plan. Gehn tun sie beide nicht.“ Die Zeilen aus Brechts „Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Planens“ bringt auf den Punkt, wie sich Veranstalter seit einigen Monaten fühlen. Auch Michael Lesemann, langjähriger künstlerischer Leiter der Weltnächte, steht vor der Herausforderung, ein Kulturprogramm zu planen, obwohl gerade so vieles unplanbar ist.
Seit 32 Jahren gibt es die Weltnächte. Doch alle Erfahrung hilft nichts, denn 2020 ist alles anders. „Einerseits freue ich mich total darauf, endlich wieder Veranstaltungen zu machen“, sagtMichael Lesemann vom Welthaus, das die Weltnächte gemeinsam mit Baobab e. V. veranstaltet. „ Aber schon als das druckfrische Programmhef t ankam, war die Freude durch den Geschmack von Unsicherheit getrübt.“ Bereits da stand fest: Der ursprüngliche Plan funktioniert nicht. Insgesamt 20 Veranstaltungen mit 33 Ensembles und ca. 160 AkteurInnen an 8 Veranstaltungsorten sollten von Mai bis Dezember stattfinden. Jetzt geht es frühestens im September los. Und zwar am 5.9. mit einem ganztägigen Programm aus Musikerflohmarkt, Filmpräsentation und Konzert mit Re-Music an der Herforder Recyclingbörse.
Allen Unsicherheiten zum Trotz steht aber zumindest eines unveränderlich fest: der besondere Schwerpunkt des Weltnacht-Programms. „Womanpower made in NRW “ lautet das Motto 2020. „Als Welthaus haben wir grundsätzlich ein Interesse am Thema Emanzipation und Frauenrechte“, unterstreicht der Programmleiter. „Das so in den Fokus zu nehmen, bedeutet sich anders auszurichten. Bei Agenturen sind sonst eher Männergruppen vertreten. Deshalb habe ich eine Liste mit Künstle „Das ist Powermusik, die so richtig abgeht.“ rinnen aus NRW erstellt – und es gibt einige, die absolut hochwertige Musik, Tanz und Poetry Slam machen. Total begeistert bin ich von der Kölner Szene, aber auch davon, was Bielefeld alles zu bieten hat.“ Und auch, wenn Michael Lesemann es selbst nicht so sagen mag, haben Projekte wie die Weltnächte und der Carnival der Kulturen sicherlich ihren Teil dazu beigetragen, wie lebendig sich die Musiklandschaft in Bielefeld entwickelt hat.
Diese Szene sollte sich eigentlich zwischen Mai und Juni präsentieren. Jetzt hat Michael Lesemann den Plan entwickelt, alle acht Termine zu einem Festival am 13. September von 15-22 Uhr zu bündeln. Geballte Frauenpower auf dem Kesselbrink, der an diesem Sonntag zu einem Platz der Künste im interkulturellen Dialog mit Samba, Capoeira, orientalischem Tanz, Hip Hop, Poetry Slam und Singer Songwriterinnen werden soll. Präsentiert von Frauen aus Bielefeld und der Umgebung, u. a. Kristin Shey, Beija Flor, LesBenitas sowie Crazie Nabs & Priscilla Konan. Unter welchen konkreten Auflagen des Ordnungsamts diese Open-Air-Veranstaltung stattfinden kann, stand allerdings bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
Ebenso wenig wie die Bedingungen, unter denen Indoor-Konzerte über die Bühne gehen dürfen. „Wir können gerade nichts Anderes machen als alle anderen auch“, resümiert Michael Lesemann: „Die Situation beobachten und von Tag zu Tag entscheiden. Aber grundsätzlich gehe ich davon aus, dass wir im Herbst Veranstaltungen machen können.“ Immerhin sind von Oktober bis Dezember zahlreiche attraktive Konzerte geplant. Ganz besonders freut sich der künstlerische Leiter auf den Auftritt von Gato Preto am 7.11. im Movie. „Das ist Powermusik, die so richtig abgeht“, macht er Lust auf ein Konzert, bei dem rockender Favela Funk aus Rio, rumorende Township- Grooves aus Südafrika und Angolas technoider electro-Hybrid Kuduro aufeinandertreffen.
Neben der Planungsunsicherheit beschäftigt Michael Lesemann die Sorge um die Gesundheit der ZuschauerInnen. Aber auch die finanzielle Situation vieler KünstlerInnen. Damit die, wie immer die Lage sich entwickeln mag, Unterstützung bekommen, hat das Welthaus gemeinsam mit Zuschussgebern wie dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gute Ideen entwickelt. So werden wahrscheinlich die Gagen – zumindest in Höhe von 60 Prozent – auch dann ausgezahlt, wenn die Gruppen nicht spielen können oder Konzerte nur gestreamt werden.
Infos zum kompletten Programm und über den aktuellen Stand unter: www.welthaus.de
The Boomtown Rats
Citizens Of Boomtown
Yeah Yeah Rock ‘n’ Roll. So singen Sir Bob Geldof und die Seinen auf ihrer ersten neuen LP seit 36 Jahren. Eine kleine Sensation. Und wer erinnert sich nicht an ihren alles überragenden Super-Hit „I don’t like Mondays“, der alles, was da noch kommen sollte, in den Schatten stellte. Unbeeindruckt von sonstigen musikalischen Strömungen (bis auf das letzte, selbstbetitelte Stück des Albums, bei dem sie dann richtig aufdrehen) haben sich die vier Herren ins Studio begeben, um ein Album ohne jeglichen technischen Schnickschnack einzuspielen. So klingt der Opener „Trash Glam Baby“ wie eine Hommage an die Glam-RockÄra, eine Verbeugung vor dem Ziggy-Stardust-Bowie. „Sweet Thing“ schielt dagegen ganz klar in Richtung Beatles, „Come Together“ hatte man da wohl noch im Ohr. Es ist ein Album, das Spaß macht, irgendwie aus der Zeit gefallen wirkt, aber somit auch zeitlos ist. (R.R.)
Badly Drawn Boy
Banana Skin Shoes
Hui, was ist denn hier los? Ist das derselbe Mann, der den wunderschön mel a n c h o l i s c h – v e r t r ä u m t e n Soundtrack zu „About A Boy“ erschaffen hat? Der uns mit so wunderbar- unaufgereg ten Alben wie „The Hour Of The Bewilderbeast“ oder „Have You Fed The Fish?“ erfreute. Einfach mal weiter laufen lassen, das Album. Nach dem äußerst hektischen Titeltrack geht es dann schon etwas beschaulicher mit „Is This A Dream?“ weiter, bis dann aber schon beim nachfolgenden „I’m Not Sure What It Is“ uns beim Refrain die Endorphine nur so um die Ohren fliegen. Und spätestens bei „I Just Wanne Wish You Happiness“ zaubert uns dann der Wollmützenträger ein Dauergrinsen ins Gesicht. Und wir werden uns fragen, wie wir eine ganze Dekade ohne seine Musik überstehen konnten. (R.R.)
Klaus Doldinger’s Passport / Motherhood
Anlässlich des 50. Jubiläums des Albums „Motherhood“ hat Doldinger einige der damaligen Songs erneut eingespielt. Dabei sind hochkarätige GastinterpretInnen wie China Moses, Max Mutzke und Joo Kraus. Bemerkenswert der originale englischsprachige Gesang von Udo Lindenberg aus dem Jahr 1969 oder auch Doldingers Gesang auf einem Track. 1970 hatte Doldinger die Songs mit der ein Jahr zuvor gegründeten Band Motherhood aufgenommen. Sie stehen am Anfang seines Weges zum unverwechselbaren Passport-Sound. Für Jazzrock- und Fusionfans ein Muss. (S.G.)
Merz gegen Merz
Staffel 2
Nachdem das Ehepaar Anne und Erik Merz (grandios: Annette Frier und Christoph Maria Herbst) in der ersten Staffel mehr oder minder erfolgreich eine Paartherapie absolviert hat, wollen die beiden Streithähne, die zu allem Überfluss auch noch zusammen in der Firma von Annes an Demenz erkrankten Vater arbeiten, nachträglich einen Ehevertrag aufsetzen. Als wäre da noch nicht genug Konfliktpotenzial, gibt es den pubertierenden Sohn und natürlich die Eltern beider Parteien … Ein Höllenspaß! Und Bielefeld kommt auch vor. (E.B.)
Spielfreude
Von Wegen Lisbeth
Live in der Columbiahalle
Wer bisher die diversen Gelegenheiten verpasst hat, diese großartige Band live zu erleben, obwohl sie ja schon diverse Male in Bielefeld gastierte, sei es im Forum, beim Campus Festival oder als Headliner beim Ubijubi-Festival im Lokschuppen, wo auch immer, nun denn, jetzt gibt es keine Entschuldigung mehr. Auf sage und schreibe 18 Stücken (das Intro mit eingerechnet) zeigen uns diese Herrschaften aus Berlin, was Spielfreude heißt. Und alle Hits sind natürlich vertreten, „Wieso“, „Lisa“, „Meine Kneipe“, „Alexa gib mir mein Geld zurück“ „Lieferandomann“, „Bitch“, „Wenn du tanzt“ und und und. Unmöglich, einzelne Titel hervorzuheben. Extrem hohes Suchtpotenzial besitzt diese Scheibe, ausgeschlossen, nicht das ganze Album am Stück durchzuhören. Und das Publikum geht fast genauso ab wie in Bielefeld. Aber nur fast. (R.R.)
POP-PERLEN
Ron Sexsmith / Hermitage
Tschilp! Es zwitschert. Vögel, Garten, Grün. Die Stimmung ist entspannt. Genau so beginnt das neue Album des kanadischen Singer/Songwriters Ron Sexsmith. Und diese Stimmung setzt sich auf dem Album fort. Nach dem etwas enttäuschenden Vorgänger „The Last Rider“, der sich leider allzu oft in Richtung Soul verirrte, besinnt sich das Goldkehlchen wieder auf seine Kernkompetenzen, und die sind, kleine Pop-Perlen zu schreiben und sie zu singen. Muss ich wirklich nochmal erwähnen, dass solche Altmeister wie Paul McCartney zu seinen glühendsten Verehrern gehören? Und so geht es nach dem eröffnenden „Spring Of The Following Year“ ganz relaxt weiter zu „Chateau Mermaid“ und dann locker über „Lo And Behold“ nach „Glow In The Dark Stars“. Titel Nummer 14 „Think Of You Fondly“ beschließt dann dieses Kleinod, ganz leise und unaufgeregt. (R.R.)