Wenn’s draußen stürmt und schneit, gibt es nur eines: ein gutes Buch!
Anne Mette Hancock: Leichenblume
Scherz, 15 €
Heloise Kaldan wurde reingelegt. Der Kopenhagener Investigativ-Journalistin wurden gefakte Dokumente zugespielt. Ihre Enthüllungsstory über die angeblichen Machenschaften eines Textil-Magnaten ist damit nichts als heiße Luft. Diese Geschichte bringt ihren Job bei einer angesehenen dänischen Zeitung in Gefahr. Zeitgleich erhält sie mysteriöse Briefe von einer flüchtigen Mörderin. Darin stehen Dinge über Heloise, die eigentlich niemand wissen kann. Beunruhigt beginnt Heloise, auf eigene Faust zu recherchieren. Als die brutale Mörderin offenbar in ihre Wohnung eingebrochen ist, wird es der Journalistin zu heiß. Sie verständigt die Polizei. Der knurrige Kommissar Erik Schäfer ist zur Stelle, denn auch er hat neue Hinweise auf die Gesuchte bekommen. Gemeinsam stellen sie fest: Alle Spuren führen zu Heloise. Aber warum?
Mit Heloise Kaldan ist die skandinavische Thriller-Tradition um eine neue Persönlichkeit, von der wir sicherlich noch so einiges hören werden, reicher. Anne Mette Hancock hat einen wirklich spannenden Krimi mit einigen eleganten Wendungen und einem interessanten Personal komponiert. Band 2 erscheint bereits im Sommer 2021. (E.B.)
Phillip P. Peterson: Vakuum
Fischer Tor, 16,99 €
Roland Emmerichs Weltuntergangskracher „2012“ ist Kleinkram gegen das Szenario, das der deutsche SF-Autor hier aufmacht: Allem Leben im Universum droht das Ende! Zuerst beobachtet eine Astronomin, dass ferne Sterne verschwinden. Dann rast ein Alien-Raumschiff durch unser Sonnensystem und funkt die Hiobsbotschaft zur Erde. Kann die Menschheit der kosmischen Katastrophe entkommen? Da relativ schnell klar ist, wohin Peterson den Hasen laufen lässt, kann man verraten, ohne viel zu spoilern: die meisten Menschen eher nicht. Der gelernte Luft- und Raumfahrtingenieur interessiert sich auch mehr für die Physik des Universums und dicke Raketen – typische Hard-SF eben, wie man sie von Stephen Baxter & Co. kennt. Diese Klasse erreicht der Autor aus der Self-Publisher-Szene hier nicht, aber unterhaltsam und spannend ist sein fantastischer Schmöker allemal. (K.M.)
Julia Phillips – Das Verschwinden der Erde
dtv, 22 €
Kamtschatka im äußersten Osten des russischen Riesenreichs: An einem Sommertag verschwinden die Schwestern Sofija und Aljona spurlos. Nur kurze Zeit vorher gab es ein ähnliches Verbrechen an der indigenen Bevölkerung. Die Suche nach den Mädchen bringt die gesamte Gegend in Aufruhr. Spekulationen und Verdächtigungen bestimmen das Klima untereinander. Die ungeklärten Vorfälle hängen wie eine dunkle Wolke über der ohnehin grauen Stadt Petropawlowsk und beeinflussen das Leben vor allem der Frauen in dieser von Männern dominierten Gesellschaft am Rande der Welt. Julia Phillips gelingt es in ihrem Debüt auf exzellente Weise, den Leser in eine fremde, faszinierende Gegend zu entführen. Industrieruinen, weite Tundras und schneebedeckte Vulkane prägen die Landschaft, schweigsame, verbitterte Menschen die Handlung dieses spannenden Thrillers. Die 370 Seiten des Romans lassen sich in einer einzigen Winternacht mühelos verschlingen: Leseabenteuer! (H.O.)
Haruki Murakami – Erste Person Singular
Dumont-Verlag, 18,99 €
Was sind die Dinge, die Menschen, die Momente, die Begegnungen, die uns für immer prägen? In seinem neuen Erzählungsband vereint Murakami acht Erzähler aus der Ich-Perspektive, die im Grunde natürlich alle dieselbe Person sind: Murakami persönlich. Nostalgie, Melancholie, Philosophie und eine gehörige Portion Tragikomik prägen den Erzählstil, ganz gleich, ob es um vergangene Liebschaften, Jugenderinnerungen, um Literatur, Musik oder Baseball geht. Mal ist es ein sprechender Affe, das fiktive Sammlerstück eine lange verschollenen Bossa-Nova-Platte von Charlie Parker, verschwundene Frauen oder ein Mann, der sich in seiner Lebensbilanz fragt, wie er zu dem wurde, was er ist. Immer aber verwirren sich in diesen erzählerischen Glanzstücken die Grenzen zwischen Fiktion und Realität, ein Meistererzähler verwischt seine autobiographischen Spuren. (H.O.)
Oyinkan Braithwaite: Das Baby ist meins
Blumenbar, 15 €
Bambi hat es vermasselt. Mitten im Lockdown wirft ihn seine Freundin aus der Wohnung, weil er sie betrogen hat. Aber wohin soll er jetzt? Ein Ende der Corona-Maßnahmen sind auch in Nigeria nicht abzusehen, also sucht Bambi im Haus seines kürzlich verstorbenen Onkels Zuflucht. Seine Tante nimmt den gefallenen Jungen zwar auf, aber sie ist nicht allein. Die nun nicht mehr heimliche Geliebte des Onkels ist ebenfalls dort gestrandet. Und dann wäre da noch das Baby. Allein die Vaterschaft scheint merkwürdigerweise klar zu sein, nicht aber, wer die Mutter der Kindes ist. Ein scheinbar unlösbarer Konflikt mitten in der Enge des Lockdowns. Mit viel Verve geschrieben vergehen die 125 Seiten wie im Flug. (E.B.)
Candice Fox: Dark
Suhrkamp, 15,95 €
Eine höllische Achterbahnfahrt durch menschliche Abgründe und die dunklen Seiten von Los Angeles: Blair Harbour, einst angesehene Ärztin, jetzt verurteilte Mörderin und nach neun Jahren Knast endlich wieder draußen, will ihr Leben auf die Reihe kriegen. Da kreuzt ihre alte Zellengenossin, die drogenabhängige Diebin Sneak auf. Sie sucht verzweifelt nach ihrer verschwundenen Tochter. Gemeinsam mit der beinharten Gangsterin Ada, die ihnen noch was schuldig ist, und der desillusionierten Polizistin Jessica, die einst Blair verhaftet hat und zur Zeit selbst genug Ärger an den Hacken hat, versuchen sie das Mädchen zu finden. Die australische Autorin Candice Fox ist eine Meisterin komplexer Krimi-Plots, die mit irrwitzigen Figuren und frischen Ideen immer wieder überraschen. Eine souveräne Erzählerin mit grimmigem Witz; schon jetzt einer der besten Krimis des Jahres! (K.M.)
Chris Landow: Parceval
- Band Seine Jagd beginnt
- Band Auf der Flucht
- Spiel mit dem Feuer
Vor knapp zwei Jahren hat Ex-Bundespolizist Ralf Parceval die Thriller-Bühne betreten – und für reichlich Wirbel gesorgt. In Band 1 ist der ehemalige Elite-Polizist noch im Gefängnis, weil er kaltblütig 15 Menschen in Afghanistan getötet hat. Nach deutscher Rechtsprechung ist er ein Mörder, nach eigener Wahrnehmung ein Versager, weil er die Falschen erwischt hat. Seine Schwester und ihre Tochter wurden von Terroristen verschleppt, ihr Schicksal ungewiss. Das ist es, was Parceval antreibt: die Rettung seiner Familie. Und weil er als Polizist einfach unverschämt gut ist, holt ihn der Chef der Berliner Kripo aus dem Knast. Denn die Tochter eines angesehenen Berliner Unternehmers wurde entführt. Zwar wurde der Entführer gefasst, aber er sagt kein Wort. Bei einer speziellen Vernehmung soll sich Parvecal die Finger schmutzig machen … Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Nur so viel: Dem hartgesottenen Ex-Polizisten gelingt die Flucht und so schlittert er in Band 2 gleich wieder in einen heiklen Fall von Bandenkriminalität in Mannheim. In Band 3, der gerade erschienen ist, spielt Parceval mit dem Feuer und verbrennt sich nicht nur ein Mal. Noch immer ist er auf der Suche nach Spuren, die den Verbleib seiner Familie klären könnten. In der Hamburger Elbphilarmonie ist ein Benefizkonzert mit vielen hochrangigen Politikern geplant – auch die neuen Machthaber aus Afghanistan sind geladen. Mit Hilfe von Ksenia – eine ehemalige Kollegin, die mit Parceval in Afghanistan am Aufbau eines funktionierenden Polizeiapparates beteiligt war, und nun einen angesehenen Sicherheitsdienst leitet – schleust er sich in einen der spektakulärsten und teuersten Konzertbauten der Welt ein. Doch eine Gruppe von IS-Terroristen hat die Elphi als Ziel gewählt: Für den Leser heißt das auf 514 Seiten: 200 Geisel, 30 Terroristen, die mit der Sprengung des Gebäudes drohen, und ein Ex-Bulle auf der Flucht.
Wie schon die beiden Bände zuvor punktet Chris Landow mit atemloser Spannung und richtig guten Wendungen, die den Verlauf der Story auf den Kopf stellen. Es ist ein wenig so, als würde man „Die Hard“ in Buchform vor der Nase haben. Parceval und Ksenia sind ein cooles wie kongeniales Gespann mit ihrer ganz eigenen Auffassung von Recht und Gerechtigkeit. Auf jeden Fall ein Pageturner, der beste Thriller-Unterhaltung bietet. (E.B.)