Lesestoff schon ausgelesen? Hier kommt Nachschub.
Martin Suter & Benjamin von Stuckrad-Barre – Kein Grund, gleich so rumzuschreien
Diogenes, 26 €
Nahe Familienmitglieder sterben, der Welt geht es auch nicht so gut, das letzte Glas Alkohol wird getrunken und die letzte Zigarette geraucht. Und doch färbt Martin Suter sich noch immer nicht die Haare. Wer auch in schwierigen Situationen und Kippmomenten des Lebens noch lacht, meint es wirklich ernst mit dem Humor. Es ist ein absolutes (Lese-)Vergnügen, wie diese beiden vom Temperament her doch so unterschiedlichen Herren über Bewegendes und vermeintlich Banales fabulieren.
Man spürt die innige Verbundenheit, das Vertrauen und die gegenseitige Wertschätzung – auch wenn die Sicht auf die Dinge des Lebens zuweilen sehr unterschiedlich ist. Und dann wieder sind sich Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre auch wieder sehr einig. Können sich stundenlang über Rasenmähroboter austauschen und ihnen sogar glaubhaft eine Liebesgeschichte andichten. Sehr lesenswert. (E.B.)
Colin Cotterill – Dr. Siri und der rätselhafte Hund
Goldmann, 24 €
Vientiane 1980: Dr. Siri Paiboun ist zwar vordergründig zynisch, aber eigentlich hat der erste und inzwischen pensionierte laotische Leichenbeschauer ein großes Herz – auch für Straßenhunde und so nahm er auch „Köter“ unter seine Fittiche. Eines Tages findet er einen rätselhaften Zettel, der in einer Kapsel am Schwanz seines Hundes befestigt wurde: ein Todesdrohung. Allerdings auf Englisch, dessen weder Dr. Siri noch seine Freunde, die ebenfalls auf der Abschussliste stehen, mächtig sind. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum Gedenken an die Machtübernahme der Kommunisten im
August 1975 tummeln sich viele ausländische Journalisten in der laotischen Hauptstadt, die – wenn es nach den Machthabern geht – über die ruhmreichen Errungenschaften der Volksdemokratie berichten sollen. Auch Dr. Siri muss in seine eigene Historie zurückgehen, um dem Schreiber der Todesdrohung auf die Spur zu kommen: ein Treffen mit seinem Freund Civilai in den 1930er-Jahren, ein denkwürdiges Ereignis in einem Pariser Kunstmuseum und eine Gerichtsverhandlung zu Zeiten des Vietnamkrieges. Es ist großartig, dass Colin Cotterill immer wieder etwas Neues zu Dr. Siri einfällt. Mit leichter Feder, spannend und unterhaltsam, gibt es hier einen Streifzug durch die laotische und auch Dr. Siris Geschichte. (E.B.)
Karin Smirnoff (nach Sieg Larsson) – Vergeltung
Heyne, 24 €
Im achten Band der Millennium-Reihe stehen weder Mikael Blomkvist noch Lisbeth Salander im Mittelpunkt. Dafür Lisbeths Nichte Svala, die nach dem Tod ihrer Mutter bei ihren Onkeln im hohen Norden wohnt und in die samische Tradition der Rentierzucht eingeführt wird. In der kleinen Stadt Gasskas schließt sich die 13-Jährige, die wie ihre Tante Lisbeth über besondere Fähigkeiten verfügt, einer Gruppe von Umweltaktivisten an, die verhindern wollen, dass der stillgelegte Tagebau zu neuem Leben erweckt wird. Doch für ihre Vision eines Bergbauimperiums scheuen gnadenlose Unternehmer auch vor Mord nicht zurück.
Aber geht es tatsächlich nur um den Bergbau, in den auch Mikael Blomkvists Schwiegersohn als Gemeindevorsteher involviert ist? Die Gemengelage ist undurchsichtig – und bleibt es streckenweise auch. Es scheint, als habe die Autorin ihre unterschiedlichen Handlungsstränge nicht mehr richtig im Blick gehabt oder zumindest nicht zufriedenstellend zu Ende erzählt. Die Charaktere bleiben blass und lassen die Dynamik, die ihnen Stieg Larsson einst verlieh, leider sehr vermissen. (E.B.)
Colleen Cambridge – Der Krimidinnermord
Lübbe, 18 €
„Heute Abend wird in Beecham House ein Mord geschehen.“ Phyllida Bright, Agatha Christies energische Hausdame, staunt nicht schlecht, als sie diesen Satz auf der Einladung liest. Als neue Nachbarn der Queen of Crime geben sich die Wokesleys mit einem Krimidinner die Ehre. Da ihre Herrin nebst Gatten in London weilt, bittet sie Phyllida an dem fraglichen Abend zugegen zu sein. Offiziell, um der überforderten Haushälterin der Wokesleys unter die Arme zu greifen. Allerdings wird ihr kriminalistischer Spürsinn bald gefragt, denn aus dem Krimispiel wird bitterer Ernst: Der Hausherr in der Rolle der Leiche ist tatsächlich tot.
Ein klassisches „Locked-room Mystery“ mit einer begrenzten Zahl an Verdächtigen, die alle Motiv und Gelegenheit hatten, den Mord zu begehen, beginnt. Bezaubernd, wie Colleen Cambridge das „Downton Abby“-Feeling in Worte verpackt und mit der spröden Phyllida Bright einen Charakter im wahrsten Sinne des Wortes geschaffen hat. (E.B.)
Christian Jaschinski – Starck und der erste Tag
Maximum, 18 €
Als Andreas Starck aus dem Gefängnis freikommt, möchte er nur eines: endlich seine Tochter Greta wieder in die Arme schließen, die er jahrelang nicht gesehen hat. Doch die Behörden verraten ihm nicht, in welcher Pflegefamilie lebt. Starck ist verzweifelt. Der ehemalige Staatsanwalt muss in einer Waschanlage arbeiten, seine Frau ist tot – angeblich ein Unfall – und der Verbleib seiner Tochter ist ungeklärt. Er will sich rehabilitieren und beweisen, dass er unschuldig zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Starck rollt den eigenen Fall neu auf. Unterstützt wird er von einem eigenbrötlerischen Kommissar.
Als Starck entdeckt, dass er von einem Auftragsmörder verfolgt wird, beginnt ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel. Und was haben sein verstorbener Vater und eine Bank in Zürich mit all dem zu tun? Ein spannender Thriller und Auftakt einer Trilogie, der immer wieder eine überraschende Wendung bereit hält. (E.B.)
Heike Rommel – Abgrund aus Schweigen
KBV, 15 €
Der erfolgreiche Makler Mark Sieger steht mit Familie und Geliebter mitten im Leben und ist froh, als sich endlich eine Kaufinteressentin für die „Problemimmobilie“, einen heruntergekommenen alten Hof, findet. Doch den Maklertermin am Freitagabend überlebt er nicht. Zu Lebzeiten hat sich Sieger wenig Freunde gemacht, und so kann sich das Team des Bielefelder KK11 um Kommissar Domeyer kaum über einen Mangel an Verdächtigen beklagen: die frustrierte Ehefrau, die Mieter, die die geplante Luxussanierung fürchteten, der Cousin, der sich womöglich für die Schließung seines Tattoostudios rächen wollte. Doch kurz darauf geschieht ein tödlicher Unfall. Zufall? Wohl kaum … Ein spannender Krimi mit viel Lokalkolorit.
Jürgen Reitemeier & Wolfram Tewes – Mordbrüder
Pendragon, 15 €
Krimi-Spaß aus der Region: Die Brüder Roberto und Marco Bruschetta wollen ihren in Detmold lebenden Cousin Bodo aus dem Weg räumen, weil der zu viel von ihren krummen Geschäften weiß und weil sie seinen Anteil am Familienvermögen haben wollen. Ein Auftragskiller bringt eine Sprengladung in Bodo Bruschettas Haus an, löst sie aber versehentlich selbst aus und sprengt nicht nur das Haus, sondern auch sich selbst in die Luft. Doch Bodo Bruschetta ist nicht so leicht zu unterkriegen.
Mit dem Wissen, dass sein Leben auf dem Spiel steht, verschwindet er von der Bildfläche und sucht Zuflucht bei seinem Freund Jupp Schulte. Der erfahrene Kommissar im Ruhestand zögert keinen Moment, seinem Freund beizustehen. Werden Bodo und Jupp es schaffen, den Brüdern Bruschetta immer einen Schritt voraus zu sein?
Alex Hutchinson – Endure
Covadonga, 26,80 €
Vom Marathonlauf in zwei Stunden über den Traum, einmal beim Ironman Hawaii oder der Tour de France teilzunehmen, bis hin zur Besteigung des Mount Everest: Wir sind fasziniert von den extremen Grenzbereichen der menschlichen Ausdauer, und immer wieder aufs Neue werden von Athleten die physischen und psychischen Grenzen ausgelotet. Doch wie hoch hinaus können wir es schaffen? Wie weit können Menschen laufen oder Rad fahren? Wie schnell können sie sein? Und wie sieht es mit dem individuellen Potenzial aus: Wo liegen die Grenzen eines bestimmten Athleten?
Und wodurch werden sie definiert? In seinem aufwändig recherchierten Bestseller „Endure“, der nun erstmals auf Deutsch vorliegt, legt der kanadische Sport- und Wissenschaftsjournalist Alex Hutchinson dar, warum unsere individuellen Grenzen ebenso sehr von unserem Kopf und unserem Herzen wie von unseren Muskeln bestimmt werden können. Hutchinson, selbst erfolgreicher Mittel- und Langstreckenläufer, nimmt seine Leserinnen und Leser mit in die erste Reihe der modernen Sportpsychologie – Elektrodenstöße im Gehirn, computergestütztes Training, subliminale Reize – und präsentiert verblüffende neue Entdeckungen, mit denen sich die Leistungsfähigkeit von Athleten auf ein neues Level heben lässt.