Sonderausstellung im BauernhausMuseum
Geflügelte Engelsgestalten in Bogenzwickeln von Toren gehörten seit der Antike immer wieder zu den von Fürsten und Herrschern verwendeten Motiven. Häufig verwendet wurde das Motiv des Götterboten aber auch an den Bauernhäusern der Region um Bielefeld und Herford. Es findet sich insgesamt rund 160 Mal an Häusern aus der Zeit zwischen dem Jahr der Französischen Revolution 1789 und dem Ersten Weltkrieg.
Die Ausstellung im Bauernhausmuseum zeichnet die Entwicklung des Motivs der geflügelten Engelsgestalten seit den Anfängen in der römischen Antike nach. Immer wieder dienten besonders die bis heute bekannten und geschätzten Triumphbögen in Rom als Inspiration für Bildhauer und Architekten. In der Ausstellung zu sehen ist als lebensfrohe, barocke Interpretation das Brandenburger Tor in Potsdam von 1770, an dem aus den antiken Niken und Victorien, die meist einen Lorbeerkranz am ausgestreckten Arm halten und damit heimkehrende Krieger empfangen, kurvenreiche barocke Engel geworden sind. In den folgenden Jahrzehnten kam es zu einer Rückbesinnung auf die Darstellungen des Originals: Die Antike war „in“. Wer es sich leisten konnte, reiste nach Italien, um sich die damals sehr baufälligen, aber durch ihre Größe beeindruckenden Bauwerke anzusehen und zu studieren.
Relativ genau nach den antiken Vorbildern, aber im Maßstab erheblich verkleinert und in Holz geschnitzt sind die Göttergestalten an den Bauernhäusern der Region um Bielefeld und Herford. „Erfunden“ wurden sie 1789 von Handwerkern aus Schildesche. Die antiken Gottheiten gefielen der Bielefelder Landbevölkerung. Sie wurden zu einem Trend und „Must-have“ für die Häuser der wohlhabenden Bauern: Der „Dekotrend“ verbreitete sich nicht nur über das Bielefelder Gebiet, sondern auch in weiten Teilen des Kreises Herford und punktuell im Kreis Gütersloh.
Bedeutungswandel
Bereits 1789 hatten die antiken Viktorien jedoch einen Bedeutungswandel hin zu christlichen Engeln erfahren: Sie passten damit zu den oft langen Inschriften mit christlichen Bezügen und auch die Beigaben waren nicht Lorbeerkranz und Palmblatt, vielmehr wurde durchgängig ein Horn beigegeben, was die Engel als von der Kunstgeschichte so bezeichnete „Jubelengel“ charakterisiert. Hinzu kam häufig ein geschulterter Stab. In einigen Gebieten, so im Raum Herford, tragen viele Engel einen Schlüssel, womit dieser als Wächter des Himmels (bzw. des Hauses, an dessen Eingang er angebracht ist), interpretiert wird. Bis heute unterliegen die Engelsgestalten immer wieder neuen Interpretationen.
Die Namen der Handwerker bzw. Künstler, die die Engel in das Holz der Fachwerkhäuser schnitzten, sind in einigen Fällen bekannt, in anderen Fällen aufgrund von Indizien zu vermuten: Hervor sticht Peter Henrich Niemann (1775-1851), ein Tischler aus Babenhausen. Eine Reihe der rund 20 Engel, die er zwischen 1799 und 1835 geschaffen hat, sind namentlich bezeichnet. Weitere lassen sich ihm durch Vergleiche aufgrund der kunsthistorischen Stilkritik zuschreiben. Ein weiterer Handwerker war Hermann Henrich Schleisiek aus Großdornberg, der 1803 auch einen Engel ins Kirchengestühl der Dornberger Kirche schnitzte. Bis heute sind die Engel beliebt und vielbeachtet. Es gibt einen interkommunalen Radwanderweg zwischen Bielefeld und Herford; die Engel sind auf den Radwegweisern im nördlichen Stadtgebiet vielfach präsent.
Die Ausstellung im Bauernhausmuseum, kuratiert von Dr. Lutz Volmer (Bild rechts), vermittelt mit rund 50 aktuellen Fotos von Ilse Uffmann und originalen „Engeln“ einen fundierten Überblick über das Thema. Die hochwertigen Bilder ermöglichen einen genauen Vergleich der einzelnen Engel, ihrer technischen Details und Attribute, wie Horn, Zepter, Schlüssel oder Krone.
Ein vielfältiges Begleitprogramm, unter anderem mit geführten Rad- und Wandertouren zu den Bauernhöfen, flankiert die Sonderausstellung, die bis zum 21.12. gezeigt wird.
www.bielefelder-bauernhausmuseum.de