Ein Leben in Farbe

Endlich wieder Kunst live und direkt vor Ort erleben! Ab dem 13.3. dokumentiert das Kunstforum Hermann Stenner mit 112 Gemälden das lange Schaffen eines Künstlers, der trotz des großen Einflusses seines Lehrers und langjährigen Freundes Henri Matisse einen unverkennbar eigenen künstlerischen Ausdruck gefunden hat.

Hans Purrmann: Liegender Akt, 1940

Der Maler Hans Purrmann (1880–1966) zählt mit seinen farbkräftigen Werken zu den bedeutenden Koloristen in der europäischen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Im Laufe eines etappenreichen Lebens zwischen seiner pfälzischen Heimat, München, Berlin, Paris, Rom und der Schweiz entwickelte er sich zu einem Maler von herausragendem Format mit weitreichenden Verbindungen. Seine Teilnahme an der legendären Sonderbund-Ausstellung 1912 in Köln bis hin zur „documenta I“ 1955 in Kassel markiert den weitgespannten Bogen der Wirkung Purrmanns, der ein umfangreiches Lebenswerk von rund 3.000 Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und zahlreichen Grafiken hinterlassen hat.

Dass der Pfälzer Purrmann, 1880 in Speyer geboren und hochbetagt 1966 in Basel verstorben, zu einem weltläufigen Europäer werden würde, war ihm nicht in die Wiege gelegt worden. Ebenso wenig war vorauszusehen, dass der zeit seines Lebens gegenständlich arbeitende, den klassischen Bildgattungen Akt, Landschaft, Porträt, Stillleben mit geradezu serieller Beharrlichkeit verpflichtete Künstler eine Wiederentdeckung als „Kolorist der Moderne“ erleben würde.

Hans Purrmann: Barockbrunnen und Parkbank im Hof der Villa Le Lagore, 1965

Purrmann begann sein Studium an der Münchner Akademie bei Franz von Stuck. Nach einem Wechsel nach Berlin, wo er den Impressionismus Liebermannscher Prägung studierte, ging er 1905 nach Paris. Es war genau die Zeit, in der sich in Dresden die Künstlergruppe „Die Brücke“ gründete und mit ihrem Expressionismus die deutsche Kunst in die Moderne führte. Der Fauvismus Frankreichs, vor allem das Werk von Henri Matisse, begleitet den Maler sein Leben lang und wird in architektonisch strukturierten Bildaufbauten, der Verwendung ornamental-abstrakter Flächen sowie auch im Umgang mit leuchtenden, häufig ungemischten Farben sichtbar.

Nach neun Jahren in Paris muss der in Deutschland als „Französling“ geschmähte Künstler zu Beginn des Ersten Weltkriegs seine dortige Wohnung aufgeben. Mit seiner Frau, der Malerin Mathilde Vollmoeller, geht er nach Berlin, wo er einen neuen Lebensmittelpunkt findet und sich bald zu einer wichtigen Stimme im Zentrum der Kunstszene entwickelt: 1919 wird Purrmann auf Vorschlag der Malerkollegen Max Liebermann und Max Slevogt in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen.

Hans Purrmann: Selbstbildnis, 1961

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten macht jedoch Purrmanns gesellschaftliche, politische und auch finanzielle Situation prekär: Zum Refugium wird dem als „entartet“ geschmähten Maler die dem deutschen Künstlerbund gehörende Villa Romana in Florenz, die er acht Jahre lang ehrenamtlich leitet. Zurückgezogen lebt er dort mit seiner Familie und kann einigen von den Nationalsozialisten verfolgten Künstlerfreunden einen sicheren Zufluchtsort bieten. Seine latente Bedrohung kulminiert in der Verhaftung des politisch als suspekt eingeschätzten Malers durch die italienische Polizei am Vorabend des Hitler-Besuchs im faschistischen Bruderstaat.

Den in diesen Jahren entstehenden Porträts, Stillleben und Landschaften sieht man die existenzielle Bedrohung ihres Schöpfers nicht an: Der provokante, großformatige „Liegende Akt“ von 1940, die sonnendurchglühten Ansichten der Villa Romana und ihrer Umgebung wie auch die üppigen Stillleben scheinen vielmehr Matisses programmatischen Bildtitel „Luxe, Calme et Volupté“ heraufzubeschwören.

Der Tod seiner Frau sowie der bedrohlicher werdende Kriegsschauplatz Italien veranlassen Purrmann zur Flucht in die Schweiz, wo er in den ihm noch verbleibenden zwei Jahrzehnten ein veritables Alterswerk schafft. Dazu zählt ein spätes Selbstporträt aus dem Jahr 1961: Das Werk zeigt das langsame Verlöschen eines Lebens in durchscheinenden, zart gesetzten, kurzen Pinselstrichen und in einem skeptisch-ernsten Gesichtsausdruck, der auch Purrmanns Stärke und Widerstandskraft gegenüber den Zeitläuften ablesbar macht.

Die Ausstellung zeigt Leihgaben aus namhaften Privatsammlungen, der Purrmann Stiftung, dem Purrmann-Haus in Speyer und dem Museum Langenargen am Bodensee und ist in enger Kooperation mit Dr. Felix Billeter, Hans Purrmann Archiv, und Prof. Dr. Christoph Wagner, Universität Regensburg, entstanden. Der Katalog zur Ausstellung mit Texten von Felix Billeter, Christiane Heuwinkel und Christoph Wagner ist im Hirmer Verlag erschienen.

Eröffnung: 13. März, 11 Uhr (die Ausstellung läuft bis zum 15.8.)

kunstforum-hermann-stenner.de