Letzte Kerze vom Klosterplatz
Nach sechs Monaten nehmen die Initiatoren der Aktion Abschied vom Klosterplatz. Als sie am 20. Dezember 2020 damit begannen, der Corona-Toten zu gedenken, waren 18.000 Menschen zu betrauern, heute sind es 91.000. An 27 Sonntagen in Folge wurden im Herzen der Bielefelder Altstadt Kerzen entzündet, immer auch mit dem Gedanken, dass der Tod vieler Corona-Toter hätte verhindert werden können.
Die Idee dazu stammte vom Autor und Ex-Bielefelder Christian Y. Schmidt. Am 6. Dezember 2020 ließ er erstmals öffentlich in Berlin Kerzen leuchten und publizierte seinen Aufruf: „Die Corona-Toten sichtbar machen.“ Dem schlossen sich die Bielefelder Flaneure an und wurden somit Teil eines Gedenkens, das alsbald an 40 Orten in Deutschland stattfand und sogar weltweit für Aufmerksamkeit sorgte. Allen Gedenkorten war gemein, dass sie in ihrer Einfachheit eine Art Randlage der Wahrnehmung symbolisierten, passend zum Anlass. Bei den Zusammenkünften hielt niemand eine Rede. Alle kamen als private Einzelpersonen hinzu. Hygiene- und Abstandsregeln waren selbstverständlich.
Nach wie vor irritiert die Initiatoren vor allem eins: „Alles wurde in den Corona-Monaten laut und kontrovers diskutiert, doch die Opfer der Pandemie, also die Verstorbenen und ihre Hinterbliebenen, blieben auf befremdliche Weise nachrangig.“ Dass immer wieder Kerzen gestohlen wurden, ist eine andere betrübliche Erscheinung. „Eine der beschrifteten Kerzen ist der Menschenverachtung der Diebe entgangen“, freut sich Norbert Schaldach. „Wir haben diese Kerze gesichert. Ihre Aufschrift lautet: ‘Hanni 26.11.20’, darunter ist ein Herz gemalt. Das Historische Museum der Stadt Bielefeld wird die Kerze und unsere letzten Schilder sowie Fotos von jedem Gedenksonntag in den Bestand aufnehmen.“